Transkript: Herzensbildung – Interview mit der Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kardiologie
Dr. Roman Szeliga: Herzlich willkommen an einem Tag, an dem es um das Herz geht. Ich begrüße ganz herzlich, Frau Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer – ihres Zeichens nicht nur Internistin, Kardiologin und auch Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kardiologie, sondern auch ein Mensch mit Herz. Dazu kommen wir gleich.
Frau Professor, im Vorfeld unseres Gesprächs habe ich ein bisschen recherchiert, warum das Herz so wichtig ist für unser Leben. Unser Herz schlägt ca. 70 Mal pro Minute, das wissen vielleicht die meisten noch. Aber dass es 100.000 Mal am Tag und insgesamt bis zu unserem 70. Lebensjahr 2,5 Milliarden Mal schlägt – das ist ganz schön oft – wissen viele vielleicht nicht. 70 bis 80 Milliliter Blut pumpt es pro Herzschlag, 6 Liter pro Minute und jährlich so viel, dass wir ein ganzes Olympia-Schwimmbecken füllen könnten (25×50 Meter). Das alles schafft unser Herz und trotzdem kümmern wir uns anscheinend viel zu wenig darum.
Heute ist Valentinstag – die Frage ans Auditorium: Wer von Ihnen ist derzeit verliebt? Oder kann sich daran erinnern?
(Lachen aus dem Publikum.)
Auch das hebt den Herzschlag etwas an. Da schlägt das Herz ein bisschen anders. Das weibliche Herz schlägt durchschnittlich ein bisschen schneller, als das männliche Herz. Da gibt es ein kleines Experiment für den Abend – schauen Sie ihrem Partner in die Augen. Nach 3 Minuten schlägt das Herz dann synchron.
(Lachen.)
Dr. Roman Szeliga: Frau Professor, wieso liegt Ihnen das Herz so am Herzen?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Weil ich die Menschen sehe, die nicht auf ihr Herz geachtet haben. Ich sehe üblicherweise Patientinnen und Patienten, deren Herz erkrankt ist aus verschiedenen Gründen. Sehr häufig, weil die Herzkranzgefäße verkalkt sind oder so verstopft sind, dass das Resultat ein Herzinfarkt ist. Das ist eine lebensbedrohliche Situation. Wenn man da nicht rechtzeitig etwas tut, dann stirbt ein mehr oder weniger großer Teil des Herzmuskels ab. Das hat für den Patienten gravierende Folgen, selbst wenn er diese Situation überlebt.
Je mehr ich mich mit Krankheiten beschäftige, ist mein Ziel die Botschaft auszusenden: „Lasst es dazu nicht kommen.“
Dr. Roman Szeliga: Jetzt haben wir im Vorfeld ein bisschen geplaudert. Es hat extreme Fortschritte in der Therapie, Diagnostik und Vorsorge gegeben. Wir können glücklich sein, in einer Zeit zu leben, wo es viele Möglichkeiten gibt. Trotzdem ist die Herz-Kreislauf-Erkrankung eine der häufigsten Todesursachen mit all ihren Nebeneffekten. Was sind die aktuellen Probleme? Warum ist das nach wie vor so ein Problem, dass die Menschen zu wenig auf ihr Herz hören oder schauen?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Das ist wahrscheinlich ein psychologisches Problem, warum sich Menschen nicht um mögliche Krankheitsentstehungen kümmern. Ein junger Mensch steckt das natürlich weg – auch die Zigarette am Abend in der Disco ist für einen 20- oder 25-Jährigen noch nicht bedeutsam für die spätere Arteriosklerose, also die Verkalkung des arteriellen Gefäßsystems. Je länger der Zustand aber anhält und je besser wir im Verdrängen der möglichen Schäden für unser Herz sind – ich glaube nämlich, dass die meisten Menschen eigentlich wissen, was gut oder schlecht ist für ihr Herz – …
Dr. Roman Szeliga: … es aber nicht tun…
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: … aber es nicht tun. Und je mehr Jahre ins Land ziehen und die schädlichen Noxen auf das Gefäßsystem wirken, umso höher ist die Komplikationsrate.
Dr. Roman Szeliga: Ist dieses Verhalten ein bisschen eine Reaktion darauf, dass es so viele Möglichkeiten gibt? Andere sollen das machen, aber ich esse weiter, gehe nicht zum Sport und lebe ungesund. Wie kann man das verbessern? Vom erhobenen Zeigefinger haben die Patientinnen und Patienten genug.
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Der wirkt nicht gut.
Ich glaube noch immer an die Intellektualität des Menschen, wenn man Zusammenhänge herstellt und, dass man ab und zu ein schlechtes Gewissen hat, damit man sich bessert oder dass man an sich arbeitet, auch wenn man gute Taten unterbreitet.
Wenn ich Vorträge vor Laienpublikum halte und sage, es ist erwiesen, dass fünf Mal wöchentliche Bewegung von 30 Minuten pro Tag einen wirklichen Nutzen in einer großen Gesellschaftsgruppe, die untersucht wurde, bringt, um nicht an einem Herzinfarkt zu erkranken oder zu versterben, ändern zumindest manche Leute ihr Leben in diese Richtung. Die Tragödie ist, dass es oft zum Kollaps eines Gefäßes kommen muss.
Dr. Roman Szeliga: Typisch österreichisch, dass die „Watschen“ kommen muss und man denkt, hoffentlich passiert nicht mehr. Es gibt einen schönen Vergleich: Man empfiehlt, dass jeder Mensch mindestens 3 Mal pro Tag 30 Minuten mit dem Hund spazieren gehen soll – auch wenn er keinen Hund hat.
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Das ist eine sehr gute Empfehlung.
Dr. Roman Szeliga: Braucht es nicht manchmal so schöne plakative Vergleiche? Wir haben alle gehört, man soll mehr Sport treiben, mehr Bewegung machen. Aber vielleicht gibt es Tipps oder Tricks, die jeder machen kann? Z.B. für einen Manager, der den ganzen Tag viel zu tun und keine Zeit für Spaziergänge hat.
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Ja. Bewegung ist essenziell. Da wir alle furchtbar wenig Zeit haben und tatsächlich manche abends so spät nach Hause kommen, dass 30 Minuten laufen scheinbar nicht drinnen sind, empfehle ich es möglichst in den Alltag zu integrieren. Es gibt Daten, dass Menschen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, wesentlich größere Strecken zu Fuß gehen. Ganz einfach: Wenn man mehrere Stockwerke zu bewältigen hat, sich zu zwingen, nie, nie, nie den Lift zu benutzen, sondern ausschließlich die Stiegen zu steigen. Da kann man relativ viele Schritte im Laufe eines Tages dazu gewinnen.
Dr. Roman Szeliga: Machen Sie das selbst?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Ja. Das war eines meiner obersten Ziele. Ich hatte einen sehr strengen Lehrer. Wenn er junge Assistenten am Lift stehen hat sehen, war man unten durch. Das habe ich mir bis an den Rest meines Lebens gemerkt.
Dr. Roman Szeliga: Da hat auch ein bisschen die Angst mitgespielt sozusagen, vom Chef gesehen zu werden?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Ja, ein bisschen. Aber das ist nicht schwer. Zwei Stockwerke zu gehen ist kein Problem. Aber es wird selten gelebt. Vor den Liften stehen Trauben von Menschen.
Dr. Roman Szeliga: Und fahren dann vielleicht noch mit dem Auto ins Fitness-Studio.
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Genau.
Dr. Roman Szeliga: Vielleicht ist das auch ein Thema, diese Routine. Wir haben im Leben viele Dinge, die wir routinemäßig tun. Wäre das nicht auch ein Ansatz, den Sport als Routineprogramm ins Leben zu integrieren? Also fix Montag und Mittwoch ins Fitness-Studio oder mit dem Hund spazieren gehen?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Ich glaube, der Mensch braucht so etwas wie ein Raster für sein Leben, um auch seine Arbeit danach auszurichten, soweit es möglich ist.
Dr. Roman Szeliga: Jetzt hört man immer von Menschen, die besonders gefährdet sind. Menschen, die viel Stress und viel Verantwortung haben, übergewichtig sind, sich nicht viel bewegen. Die typische Managerkrankheit. Aber ich glaube, da hat sich in der letzten Zeit einiges getan. Es sind nicht nur die, die wir glauben, behandeln zu müssen.
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Die koronare Herzkrankheit, die Verkalkung der Kranzgefäße, ist garantiert keine Managerkrankheit. Wir finden sie gerade in Bevölkerungsgruppen, die sich schlecht ernähren – und das sind üblicherweise keine Manager, sondern Menschen, die sogenanntes Junkfood schnell an der U-Bahn-Haltestelle konsumieren oder im Lift den Burger zu Ende essen. In diesen Bevölkerungsgruppen kommen wesentlich häufiger Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor. Auch der Nikotinkonsum ist in diesen Bevölkerungsgruppen eindeutig höher.
Dr. Roman Szeliga: Und wo liegt zwischen Männern und Frauen der Unterschied?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Der Unterschied liegt in dem Fall günstig für die Frauen, indem sie im Schnitt zehn Jahre später erkranken. Sowohl was Schlaganfall als auch Herzinfarkt betrifft. Weil Frauen durch die natürlich wirkenden Hormone, die Östrogene, geschützt sind. Das ist der Grund, wieso bis zur Menopause es selten ist, dass Frauen mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus kommen. Wenn allerdings die natürliche Wirkung nachlässt, dann gilt wieder Gleichheit.
Dr. Roman Szeliga: Es ist spannend für mich zu sehen, dass Frauen viel später zum Arzt gehen, der sie zumindest einmal begutachtet, als wir Männer. Die Frauen sagen, sie haben viel Belastung durch Kinder und Job. Da wird schon nichts sein. Wie kann man ein bisschen daran arbeiten, dass man gerade, wenn wir es vielleicht noch nicht so ernst spüren, trotzdem die ersten Warnzeichen erkennen können – vor allem als Frau?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Erstens: Wissen vermitteln durch Aufklärung, dass die Symptome durchaus ein bisschen anders sein können. Nicht so dramatisch.
Dr. Roman Szeliga: Wie zum Beispiel?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Das kann ein Schmerz, der sich im Oberbauch projektiert, sein. Oft ist es nur eine starke Übelkeit. Diffus ausstrahlende Schmerzen. Bei einem wirklich großen Infarkt ist die Symptomatik ähnlich. Aber die Vorformen, die Frühstadien sind bei Frauen oft nicht so ausgeprägt. Da muss man mit aller Selbstkritik sagen, sie werden von Ärzten nicht so ernst genommen. Die Frauen selber nehmen sich nicht ernst und wahrscheinlich nehmen Ärzte diese nicht eindeutig beschrieben Symptomatik nicht so ernst. Das ist dann eine unglückliche Konstellation, dass Frauen dann tatsächlich einerseits später ärztliche Hilfe im Sinne von Diagnostik aufsuchen und häufiger auch weggeschickt werden, weil es schon nicht so schlimm sein wird. Diese Daten gibt es leider.
Dr. Roman Szeliga: Haben Sie vielleicht ein Fallbeispiel, wo man früher hätte reagieren sollen, damit man einiges vermeiden hätte können?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Ja. Diese konkrete Frau, das ist ein paar Wochen her, ist kürzlich mit einem Infarkt ins Krankenhaus gekommen. Da war dann die Symptomatik sehr typisch, wie wir uns das alle vorstellen: ein Brustschmerz, Übelkeit und Erbrechen. In der genauen Befragung hat sie gesagt, dass sie seit Wochen eher so ein Unwohlsein bei Belastung spürt. Das ist nicht der typische Herz-Schmerz, wie wir es aus den Lehrbüchern kennen. Hätte man da genauer hingehört, hätte man früher aktiv werden und im besten Fall diesen Herzinfarkt verhindern können.
Dr. Roman Szeliga: Was sind diese Faktoren, die zu begutachten sind, oder wo man aufpassen muss?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Der Bluthochdruck. Das ist für jeden Menschen machbar.
Dr. Roman Szeliga: Was sind die Normwerte?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Die werden immer wieder verändert, aber wer unter 130 zu 80 mmHg hat, hat keinen Bluthochdruck. Aber das muss nicht immer sein. Der Bluthochdruck ist keine Konstante und verändert sich. Aber wenn wir viele Werte haben, die hintereinander gemessen darüber liegen, dann muss man sich zumindest kritisch mit seinem Blutdruck auseinandersetzen.
Dr. Roman Szeliga: Wie oft soll man messen?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Das kommt letztlich darauf an. Man kann jeden zweiten Tag in die Apotheke gehen. Da hat der Apotheker keine Freude, aber selber hat man viele Blutdruckwerte. Aber jeder hat eine Großmutter, die zuhause einen Blutdruckmesser hat. Da freut sich die Oma, wenn sie bei der Gelegenheit immer Besuch bekommt.
Dr. Roman Szeliga: Und man kann schauen, ob es der Oma noch gut geht.
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Genau. Es hat viele soziale und für einen selbst praktische Aspekte.
Dr. Roman Szeliga: Wenn man keine Oma hat, kann man für wenig Geld selbst ein Blutdruckgerät kaufen.
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Ich glaube um die 29 Euro kosten die Blutdruckmessgeräte. Aber es gab eine oberösterreichische Initiative, wo tatsächlich über die Apotheken ein Aufruf an die Bevölkerung erfolgt ist, die gesagt haben „Kommt und messt euren Blutdruck.“ Quasi so oft ihr wollt. Da ist bei vielen Menschen, die nicht wussten, dass sie hohen Blutdruck haben, das erstmals erkannt worden.
Dr. Roman Szeliga: Eine einfache Methode, um zu sehen ob das Herz in Ordnung ist, oder man genauer hinsehen sollte.
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Genau.
Dr. Roman Szeliga: Jetzt gehen Menschen eher ungern zu Ärzten. „Die Zeit heilt alle Wunden“ könnte auch in manchen Wartezimmern entstanden sein. Wie bringt man Patienten, die es notwendig hätten, zum Arzt?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Jemand, der raucht, hat auf jeden Fall ein erhöhtes Risiko. Oder jemand der eine familiäre Vorbelastung hat. Das ist oft ein Schockmoment, wenn plötzlich der Vater mit 58 einen Infarkt hat. Unter 60 Jahren ist ein junges Infarktalter. Dann sollte jemand daran denken, wenn vielleicht eine familiäre ungünstige Konstellation, meist durch den Fettstoffwechsel bedingt, herrscht.
Das machen wir im Krankenhaus aktiv und sollten auch niedergelassene Ärzte machen: Bitte lassen Sie von Ihren Kindern auch das Blut untersuchen, ob eine Konstellation vorliegt, die auf eine Wahrscheinlichkeit für einen späteren Herzinfarkt hinweist.
Dr. Roman Szeliga: Gibt es sonst noch andere Anlaufstellen, wo man hingehen kann, außer die Arztpraxen?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Ich glaube, man kann in Österreich nicht in ein Labor gehen, ohne die Zuweisung durch einen Arzt. Es gibt die Gesundenuntersuchung, die jeder Mensch ab 40 Jahren konsumieren soll.
Es gibt Daten, die sind erschreckend. Wie wenige Menschen eine einfache Untersuchung, wie Blutdruckmessen oder eine Blutabnahme, die Auskunft über den Blutzuckerwert gibt – es gibt sehr viele unerkannte Diabetiker, die noch gut behandelt werden könnten – nicht in Anspruch nehmen. Abgesehen von anderen Untersuchungen, die mit Herz-Kreislauf nichts zu tun haben. Es gibt sehr einfache Untersuchungen, wo man viele Krankheiten abdecken kann.
Dr. Roman Szeliga: Jetzt haben wir von dem berühmten Herzinfarkt geplaudert, wenn ein Herzkranzgefäß verstopft ist. Aber es gibt auch diese Herzinsuffizienz – also das Herz pumpt nicht mehr so gut, wie es soll. Was ist diese Herzinsuffizienz? Und warum ist das etwas, dass die Leute nicht so wahrhaben wollen?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Herzinsuffizienz heißt, der Herzmuskel pumpt nicht so viel Blut aus dem Herzen, um den ganzen Körper mit sauerstoffreichem Blut zu versorgen. Das kann man sich gut vorstellen, da Sie eingangs eine so beeindruckende Zahl von Herzaktionen genannt haben. Wenn sich das über eine längere Zeit hinzieht, dass es zu einer chronischen Unterversorgung mit Sauerstoff dieser Organe kommt, macht das anfangs wenig bis keine Symptome. Oder man verdrängt es. „Jetzt bin ich schon so alt und kann die Stiegen nicht mehr hinaufgehen und bekomme keine Luft.“ Würde man dem Symptom „Ich kriege keine Luft“ früher nachgehen, könnte man natürlich viel besser mit Diagnostik und vor allen Dingen Therapie reagieren.
Dr. Roman Szeliga: Kurz zusammengefasst: Es gibt Risikofaktoren. Wenn ich Übergewicht habe, rauche oder familiäre Vorerkrankungen habe. Was wäre ein Alarmzeichen, wo man wirklich zum Arzt gehen sollte. Welche Beschwerden habe ich? Egal, ob ich an die Herzinsuffizienz denke, den Herzinfarkt oder Vorstufen.
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Plakativ jede plötzlich oder widerholt sich zeigende Symptomatik, die bis vor kurzem nicht so war. Das kann ein Druck, ein Schmerz oder auch die berühmte Atemnot sein. Wenn man rekapituliert, wie ist es einem vor drei Monaten ergangen? Wie leicht konnte ich da zwei Stockwerke raufgehen und jetzt muss ich im ersten Halbstock stehen bleiben – das ist ein Alarmzeichen, ohne dass es eine dramatische Symptomatik für den Patienten ist.
Dr. Roman Szeliga: Ich habe auch recherchiert, dass die Anzahl der Herzinfarkte zwischen Weihnachten und Neujahr am höchsten ist. Im Gegensatz zum Übergewicht, das nimmt zwischen Neujahr und Weihnachten noch mehr zu. Montag ist der risikoreichste Tag – wieso das?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Weil offensichtlich das Wochenende in einer Kumulation zu einem Ausbruch einer Erkrankung führt, die latent schlummert. Sprich: eine Engstelle eines Herzkranzgefäßes – sogenannte Plaque – und Stressfaktoren, wie exzessives Rauchen, zu viel essen. Alle Faktoren, die am Wochenende zusammenwirken und am Montag zum Infarkt führen.
Dr. Roman Szeliga: Frau Professor, die nächsten Minuten zum Abschluss habe ich etwas Besonderes für Sie vorbereitet. Einen sogenannten Wordrap. Ich bin sehr gespannt. Keine Sorge, es wird nicht weh tun – oder vielleicht doch.
Dr. Roman Szeliga: Wie betreibt eine Kardiologin Herzvorsorge?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Indem sie nicht raucht, sich ihre Blutwerte analysieren lässt und Bewegung macht. In Form von Schwimmen und möglichst viel gehen – aber nicht genug.
Dr. Roman Szeliga: Das war schön ehrlich. Kennen Sie Ihre eigenen Blutdruck- und Cholesterin-Werte?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Ja.
Dr. Roman Szeliga: Und sind Sie zufrieden?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Sehr sogar. (lacht)
Dr. Roman Szeliga: Wann haben Sie zum letzten Mal einen gesunden, guten Vorsatz gebrochen?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Als ich jemanden am Lift getroffen habe und dann doch eingestiegen bin.
Dr. Roman Szeliga: Herzklopfen hatten Sie zuletzt…?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: … vor einem großen Vortrag vor ganz vielen Leuten, wo ich wusste, da sitzen viele kritische Leute, die mich nachher schrecklich viel fragen werden.
Dr. Roman Szeliga: Haben Sie das getan?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Weniger schlimm als erwartet.
Dr. Roman Szeliga: Ihre 3 besten Tipps, wenn jemand das Gefühl hat, das Herz schlägt nicht richtig.
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Blutdruck messen. Weil ich beim Blutdruck messen auch den Puls mit messe. Wenn das immer sehr variiert und sehr unterschiedliche Werte ergibt, ist das ein Hinweis für eine Herzrhythmusstörung. Der Idealzustand ist einen Arzt zu erreichen, um sich ein EKG schreiben zu lassen. Dann gibt es noch ganz aufwändige Geschichten, aber diese zwei Punkte sind die wichtigsten.
Dr. Roman Szeliga: Die erste Herzkrankheit wurde vor 3.500 Jahren bei einer Mumie entdeckt. Jetzt haben wir mittlerweile eine große Entwicklung gemacht. Wenn wir uns in 10 Jahren in diesem Setting wiedersehen, was soll sich in der Prävention, also in der Vorsorge im Rahmen von Herzkrankheiten positiv verändert haben? Was wünschen Sie sich da?
Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer: Ich wünsche mir, dass noch mehr Patienten ihren hohen Blutdruck rechtzeitig erkennen. Weil es aus der Geschichte der letzten 50 Jahre in der entwickelten Welt sensationelle Daten gibt, wie sich die Herzkreislauf-Morbidität und -Mortalität dramatisch reduzieren konnte, einfach aufgrund der Tatsache, dass Menschen ihren Blutdruck gut behandelt haben. Und heute noch in der sogenannten dritten Welt viele Menschen mit 50 Jahren an einen Schlaganfall sterben, weil es diese Therapie nicht gibt.
Dr. Roman Szeliga: Es gibt einen kardio-protektiven Effekt, den Sie noch nicht erwähnt haben. Den würde ich noch gern erwähnen. Und zwar ist das Schokolade mit einem sehr hohen Kakaoanteil. Weil heute Valentinstag ist, habe ich Ihnen Schokolade mitgebracht. Ich sage vielen Dank für das Interview und die Tipps, die man so vielleicht nicht bekommt.
Und Ihnen allen sage ich: Hören Sie mehr auf Ihr Herz und manchmal weniger auf das Hirn. Denn das Herz schlug schon, bevor Sie denken konnten. In diesem Sinne vielen Dank und bleiben Sie gesund.
AT/NONCMCGM/0219/0009 02/2019